Das vorliegende Buch ist eine literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem schriftstellerischen Werk von Ryszard Kapuściński, dem wohl bekanntesten polnischen Journalisten und Literaten. Am häufigsten werden seine Bücher, die im Anschluss an seine vielfältigen Auslandsaufenthalte entstanden, dem Genre der literarischen Reportage zugeordnet. Es handelt sich jedoch um literarisch hybride Formen, in denen der Leser zwar herkömmliche Reportagen, aber auch Essays, lyrische Prosa, Exkurse über Geschichte und Politik finden kann. Seine Texte bewegen sich zwischen Bericht, Epos, Dialog, Interview, Impression, (Kurz-)Erzählung und Roman. Dabei zeichnen sie sich durch eine weitgehende Narrativität aus. Der Autor scheint auf einer permanenten Suche nach einem adäquaten Textformat für die Inszenierung des Umgangs mit kulturellen Differenzen zu sein. Denn thematisch betrachtet ist es fast immer das Fremde, das im Mittelpunkt von Kapuścińskis Texten steht. Durch die Anwendung narratologischer Analysekategorien der postkolonialen Erzähltheorie lässt sich aufzeigen, wie sich der „Kulturenübersetzer“ Kapuściński in einem Zwischenraum (third space) positionierte und einen postkolonialen Blick entwickelte. Jenseits des Ethno- und Eurozentrismus meiden seine nicht voneinander zu trennenden Identitäts- und Alteritätskonstruktionen die stereotypisierenden Darstellungen des Eigenen und des Fremden. So wird die zumeist negative semantische Besetzung der Andersheit relativiert und entschärft, sie wird nicht erfasst und bewertet, sondern immer wieder neu diskutiert. DR. HENRYK MAZEPA geb. 1972, studierte Deutsch als Fremdsprache, Germanistik und Osteuropäische Studien an der Universität Bielefeld, 2007 promovierte er dort an der Fakultät für Linguistik und Literaturwissenschaft. Seit 2012 Lehrbeauftragter am Institut für Germanistik der Jagiellonen Universität in Krakau